Friedrichshafen 2018
Die Klassik-Messe Friedrichshafen bleibt fetzig und farbig! Nach 10 Jahren „BodenseeKlassik“ übernahm die MotorWorld Gruppe das Zepter und führte nur kleinere Neuerungen ein.
Es wäre auch töricht gewesen, das etablierte Rezept der Dreiländer-Messe zu ändern: Nervenkitzel bei den Show-Rennen, die ganze Palette der klassischen Mobilität unterm Dach, plus hunderte Besucherfahrzeuge im Innenhof, ja sogar ein See für Amphibienfahrzeuge. Was will man mehr?
Bericht und Fotos: Caspar Türler
Wo soll man auf einem Gelände mit 12 Messehallen und einem riesigen Klassiker-Parkplatz bloss anfangen? Vielleicht erst einmal auf der Rennstrecke gleich zwischen den Hallen und dem anschliessenden Zeppelin-Flughafen. Die ruhende Ausstellung konnte man jederzeit besichtigen. Die Läufe des „Vintage Demo Racing“ jedoch nicht, ausserdem waren die röhrenden Motoren von weitem zu hören. Also nix wie hin! Das sagten sich über das strahlende Wochenende viele der knapp 38’000 Messebesucher. So herrschte auf den Tribünen und entlang den Abschrankungen an der Strecke stets reger Betrieb, aber auch die Clubs und Standbetreiber in den Messegebäuden konnten nicht klagen.
Das Wichtigste aus Sicht von uns Skandinavien-Fans vorweg: Volvo und Saab machten in der bunten 70er/80er-Jahre Gruppe neben DeLorean, Mercedes, Ford, Renault, BMW und Trabbi eine gute Figur. Obwohl der Sieg auf der Ziellinie nicht im Vordergrund stand, lieferten sich die Hobbyracer in ihren getunten Geschossen spannende, ja bisweilen halsbrecherische Duelle.
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Fast ebenso schnell wie die Youngtimer waren nicht zu übersehenden Speedster der Marke American LaFrance (ALF). Das von Truckson LaFrance 1873 gegründete Unternehmen, dessen Wurzeln bis in die 1830er Jahre auf einen Hersteller von Handwagen zurückgehen, stellte zuerst handbetriebene Feuerlöscher her, darauf von Pferden gezogene oder dampfbetriebene Fahrzeuge für Schutz- und Rettungsorganisationen. Nach einem Merger mit der International Fire Engine Company entstand 1903 American LaFrance, welche 1907 die erste motorisierte Feuerspritze produzierte.
Da viele der wachsenden US-Städte solche schweren Gerätschaften benötigten und oft gleich dutzendweise bestellten, entstand auch immer wieder mal ein Speedster auf einem Feuerwehrauto-Chassis. Manche munkeln, es handle sich dabei und „Kundengeschenke“ für besonders lukrative Aufträge. Jedenfalls war American LaFrance das ganze 20. Jahrhundert hindurch synomym mit Feuerwehrautos, bis 2008 das Aus kam und die Firma schliesslich 2014, also nach rund 180 Jahren, alle Aktivitäten einstellte.
Wie schön, dass diese und eine ganze Menge weiterer solcher Urviecher aus der Messing-Ära überlebt haben. Die Besitzer und Fahrer bilden eine eingeschworene Community. Nicht minder beeindruckend waren der rote Protos von 1920, der silberne Wolseley-Monoposto und ein nicht näher bezeichnetet Knochenschüttler „oben ohne“.
Wie man sieht, fordert es dem Piloten heute wie damals alles ab, so einen Leviathan zu bändigen: Für den Kettenantrieb der gewaltigen Holzspeichenräder fassen die 6 Zylinder eines ALF nicht weniger als 14.5 Liter Hubraum. Der Fahrer steuert dach- und scheibenlos im Freien, über eine weit nach hinten ragende Messingstange und ein massives Holzlenkrad mit Zündverstellung. Nur gut, dass sich der Pilot während der Fahrt daran festhalten kann, sowie an der aussen gelegenen Gangschaltung.
Dem Beifahrer bleibt – will er nicht herunterfallen – nichts anderes übrig, als die Füsse gegen das Armaturenbrett zu stemmen und sich mit den Händen am gurtenlosen Sitz festzuhalten. Es ist drum nicht verkehrt, auch beim ihm die „Fahrleistung“ zu loben.
Natürlich sind auf einem ALF Helm, Rennbrille und Handschuhe Pflicht. Nur schon wegen dem offen arbeitenden Motor, der das reichlich verabreichte Schmieröl gleich wieder an seine Fahrer verteilt. Aber der Sound, die Gerüche, die Virbrationen… das muss Racing-Feeling pur sein. Wahrscheinlich ist nur fliegen schöner!
Nach den Rennen konzentrierte ich mich auf die erwähnte Palette von Farben. Das Folgende ist wie immer eine rein subjektive Auswahl an Leckerbissen.
Gelbtöne
Ob Kupfer, Bakellit, GFK, schweres Blech, ein Gummiballon oder vergoldetes Holz aus Fernost: gelbe Noten verliehen der Ausstellung spritzig-frühlingshafte Noten. Und Gags: „Sons of Arthritis – Ibuprofen Chapter“ – dieses T-Shirt würde ich auch kaufen!
Blau- und Grüntöne
Von edel-unterkühlt über natürlich bis künstlich, von Scheunenpatina bis Racing-Lindgrün (nicht British Racing Green): diese Farben passen dazu, sich draussen aufzuhalten und beim Fahren etwas zu erleben. Aber besser nicht bei gleichzeitigem Alkoholkonsum, wie das Aral-Plakat suggeriert. Der erstaunte Konsument schmunzelt, wenn er den Begleittext liest: Es handelte sich um Benzin, dem Alkohol zur Reinigung des Motors beigefügt war. Wieso hat sich das wohl nicht durchgesetzt?
Herzig-schelmisch dann der Aufkleber mit dem Dreirad an Saschas 940er: Vorderradantrieb ist Sch*isse (fwd sucks!)
Rottöne
Spektakulär sind rote Fahrzeuge von vornherein. Vom Plymouth Road Runner über einen Volvo P210 Duett in Televerks-Orange (Schwedisch Telefon- und TV-Installationsgesellschaft), über ein nicht enden wollendes US-Cabriolet, Seitenwagen-Gespanne, den betörenden Alfa-Romeo Montréal, das schnuckelige Goggo-Mobil, den kultigen VW Samba und natürlich unsere schicken Volvo-Kombis strahlten sie alle um die Wette.
Brauntöne
Die treue Mischlingshündin Gina und ihre Menschen nahmen im schokoladefarbenen Volvo P1800 ES „Schneewittchensarg“ teil. Sie bewachte ihn sehr gut, selbst aus dem Körbchen hinter der randlosen Panoramascheibe.
Weiss-, Schwarz- und Grautöne
Das Wiedersehen mit Sylke und Jan aus Ulm mit ihrem Duett „Gubbe“ freute mich ganz besonders – andere hätte wohl der vor PS strotzende Lambo mehr interessiert. So scheiden sich die Geister. Eine Entdeckung für mich als Art Deco und Stromlinien-Liebhaber war der Opel Admiral von 1936. So ein Design sieht auch 80 Jahre später einfach hinreissend aus. Aber das Opel-Logo stellte ich mir immer als Blitz vor? Scheinbar gab es auch eine vereinfachte Form. Weitere Highlights waren ein Rallye-Lancia mit extra Bremskühlungslamellen, ein vollelektrischer VW Käfer „Voltimer“ (ausgesprochen wohl eher Woll-Teimer statt Volt-Eimer?) und ein weisser Lamborghini Espada („Degen“) aus den Siebzigern, mit einem angegossenen Blechkleid wie ein typisch italienischer, eleganter Lederslipper.
Was für ein eindrückliches Wochenende. Friedrichshafen, wir kommen wieder!