Reportage SVM 2015
Am Swiss Volvo Meeting 2015 hätten die Volvo-Gründer sehr gestaunt
At the Swiss Volvo Meeting 2015, Volvo’s founders would have been baffled!
Lors du Swiss Volvo Meeting 2015, les fondateurs Volvo auraient été étonnés!
Von Caspar Türler (Text, Übersetzung, Fotos)
Die Teilnehmer, Besucher und Organisatoren sind sich einig: Das 13. Swiss Volvo Meeting (SVM), das Ende August 2015 zum ersten Mal in der Kanderarena bei Mülenen BE stattfand, war ein voller Erfolg. Bei bestem Wetter konnte das routinierte OK am Vorprogramm vom Freitag sowie an der Hauptveranstaltung vom Samstag und Sonntag zwischen 600 und 700 Fahrerinnen und Fahrer mit ihren Volvos aus acht Jahrzehnten im Berner Oberland begrüssen.
Die zahlreichen Teilnehmer und Besucher aus ganz Europa deckten ihrerseits dieselbe Spanne ab: vom Neugeborenem im Kinderwagen bis zum Greis im Rollator – alle kamen auf vier Rädern ins prächtige Kandertal. Wobei die über 18-Jährigen, teils mehrere Tage Angereisten, eines gemeinsam hatten: Das Eisensymbol, ein Kreis mit aufgerecktem Pfeil, auf der Motoraube. Der Preis für die weiteste Anreise konnte Andreas Haugen und Partnerin Helene entgegennehmen: Mit ihrem weissen Amazon waren sie eine Woche zuvor im 2800 Kilometer entfernten Trondheim zum SVM aufgebrochen.
Zum Auftakt vom Freitagmorgen reihten 30 ausländische und Schweizer Teilnehmer ihre automobilen Preziosen auf dem blumengeschmückten, kopfsteingepflasterten Rathausplatz in Thun auf. Nach einem Apéro liessen sie sich durch die malerische Altstadt des Tors der Alpen führen.
Am Abend bestiegen über hundert angemeldete Fans in Mülenen die steilste Standseilbahn Europas auf den Niesen. Im Bergrestaurant auf der 2362 m hohen „Swiss Pyramid“ stiessen sie vor grandioser Kulisse auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Volvo an.
OK-Präsident Stephan Würsten dankte den aus 11 Ländern angereisten Volvo-Fans für ihre Teilnahme und den Helferinnen und Helfern für ihr grosses Engagement bei den Vorbereitungen. Mit Stephans Worten zeigten Anlässe wie dieser, dass gerade die bisweilen als „Altblechsammler“ belächelten Fans über Jahrzehnte enthusiastische und wichtige Botschafter ihrer liebsten Automarke seien. Auch Dennis Nobelius, der neue Direktor von Volvo Schweiz, lobte die Anwesenden für ihre Verbundenheit und deutete spannende Entwicklungen an. Der junge Schwede erinnerte auch an die nicht immer einfachen Anfangsjahre, als zwei visionäre Praktiker die Grundsteine für eine der grössten skandinavischen Erfolgsgeschichten legten.
Wir können es uns nur vorstellen, wie es gewesen sein muss, als der erste Volvo ÖV4 am 14. April 1927 um 10 Uhr aus der Fabrik in Göteborg rollte. Was würden die damals führenden Köpfe wohl zur Entwicklung bis heute sagen? Die Gründer Assar Gabrielson (1891-1962, Geschäftsführer) und Gustav Larson (1887-1968, Konstruktionsleiter), die Volvo bis in die 60er Jahre leiteten, stellten immer den Fahrer ins Zentrum ihrer Überlegungen. Deshalb war Ihnen Sicherheit, Dauerhaftigkeit, Leistung, Komfort und Design besonders wichtig. Hätten sie sich am 13. SVM unters Publikum gemischt, wäre Ihnen wohl manches vertraut vorgekommen. Andererseits hätten sie über vieles bestimmt gestaunt.
Die beiden illustren Herren hätten mit Genugtuung gesehen, dass sie mit ihrer Philosophie absolut richtig lagen und ihre heute globale Marke in den erwähnten Bereichen führend geblieben ist. An der Samstags-Rallye zum prächtigen Aussichtsrestaurant Bütschelegg und zu Chocolat Ammann (ca. 110 km) hätten sie mit Freude gesehen, dass ihre „Kinderschar“ der PV (Buckel-) und Amazon-Typen auch 60 Jahre später geliebt, gepflegt und gefahren werden. Viele im Originalzustand, einige dezent restauriert und einzelne mit Tieferlegung, Spoilern, Überrollkäfigen und aufgemotzten Motoren auf über 200 PS kreativ „weiterentwickelt“. Ganz zu schweigen von der heute möglichen Tuning-Technik, mit denen die unter 30-Jährigen ihre Freundinnen (bzw. auch umgekehrt!) auf dem Aussengelände beeindruckten.
Um die Kanderarena hätten sich Gustav und Assar bei den kantigen Limousinen und Kombis der 70er bis 90er Jahre neue Kenntnisse in Motorentechnik und italienischem Design angeeignet. Um anschliessend festzustellen, dass sich der Kreis mit den wiederum fliessend gezeichneten Modellen nach Jahrtausendwende schliesst: Waren die Anfangsjahre durch Aerodynamik-Experimente und amerikanische Rundungen inspiriert, führen heute Bestrebungen für weniger Treibstoffverbrauch, bessere Sicherheit für Fahrer und Passanten sowie neue Materialien wieder zu vergleichbar „fliessenden“ Styling-Resultaten.
Das Innenleben eines heutigen Volvo ist jedoch nicht mit früher zu vergleichen. Ob die beiden imaginären Besucher mit einem flüsterleisen, hybrid angetriebenen, schlüssel- und handbremslosen XC90 von 2015 zurechtgekommen wären? Mit etwas Instruktion wohl schon.
Denn heute unterstützen den Fahrer ein Dutzend elektronische Assistenten, warnen unüberhörbar und greifen sogar aktiv ins Geschehen ein, z.B. bei einer Notbremsung. Damit – so die „Vision zero“ der Marke – ab 2020 kein Mensch mehr in oder wegen einem Volvo tödlich verunfallt.
Und die Entwicklung in Göteborg geht weiter. 2017 startet Volvo sein 9. Jahrzehnt und nimmt neben topmoderner Technik auch die besten Elemente seiner klassischen Modelle in die nächste Generation auf. Wir dürfen, zusammen mit Assar und Gustav, gespannt darauf sein!